Einstweilige Verfügung: Das sollten Sie wissen!
Eine einstweilige Verfügung – abgekürzt eV – ist eine Maßnahme des sogenannten vorläufigen Rechtsschutzes. Sie ist im deutschen Recht, vor allem im Zivilrecht, weit verbreitet.
In dem folgenden Artikel informieren wir Sie darüber, was eine einstweilige Verfügung ist und unter welchen Voraussetzungen sie erlassen werden kann. Außerdem klären wir, wie das einstweilige Verfügungsverfahren abläuft und wer die Kosten dafür trägt.
Was ist eine einstweilige Verfügung?
Eine einstweilige Verfügung ist ein rechtliches Instrument, mit dem in dringenden Fällen ein vorläufiger Rechtsschutz erwirkt werden kann. Geregelt ist sie in den §§ 935 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Eine einstweilige Verfügung wird erlassen, wenn eine schnelle Entscheidung notwendig ist, um irreparable Schäden abzuwenden. Damit wird das Recht einer Seite vom Gericht im Eilverfahren durchgesetzt, ohne dass diese Klage einreichen muss.
Notwendigkeit einer eV
Rechtliche Auseinandersetzungen bestehen meist daraus, dass eine „Partei“ die Rechte eines anderen (Unternehmen oder Privatperson) verletzt. Ein reguläres Klageverfahren kann zwei bis drei Jahre dauern, bis ein rechtskräftiges Urteil gefällt wird.
Um jedoch eine schnelle rechtliche Entscheidung herbeiführen zu können und damit diverse Schäden entgegenzuwirken, gibt es die Möglichkeit der einstweiligen Verfügung. Besonders im IP-Recht (Marken-, Wettbewerbs- & Urheberrecht) spielt dieses Rechtsmittel eine große Rolle.
Wann für Sie eine einstweilige Verfügung Sinn macht, erfahren Sie hier.
Anwendungsgebiete
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Zivilrecht
Im gewerblichen Rechtsschutz (Markenrecht, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht) ist die einstweilige Verfügung ein häufig genutztes Mittel, um schnell gegen eine Rechtsverletzung vorzugehen.
Beispiele:
- Markenrecht: für eine sofortige Unterlassung einer Markenverletzung (unberechtigte Nutzung einer Marke)
- Wettbewerbsrecht: um unlautere Praktiken (z. B. irreführende oder wettbewerbswidrige Werbung) sofort zu stoppen.
- Urheberrecht: um die Verbreitung oder Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werks zu unterbinden
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Miet- und Kaufrecht
Auch bei Vertragsverhältnissen oder in anderen schuldrechtlichen Angelegenheiten kann eine einstweilige Verfügung beantragt werden, wenn ein dringender Schutzbedarf besteht.
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Strafrecht
Einstweilige Verfügungen werden häufig im Bereich der Persönlichkeitsrechte eingesetzt, um beispielsweise gegen Verleumdung, Beleidigung, übler Nachrede oder Stalking vorzugehen.
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Presserecht
Unerlaubte Internetpublikationen können durch eine einstweilige Verfügung schnell unterbunden werden, um Schäden möglichst schnell eingrenzen zu können.
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Arbeitsrecht
Hier wird eine einstweilige Verfügung eingesetzt, um den Urlaubsanspruch oder den Weiterbeschäftigungsanspruch nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess durchzusetzen.
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Erbrecht
Im Erbrecht können sie in Einzelfällen eingesetzt werden, um etwa Vermögensverfügungen zu verhindern, bis eine endgültige Entscheidung getroffen wurde.
Hinweis: Im Familienrecht und im öffentlichen Recht werden Eilmaßnahmen mithilfe der einstweiligen Anordnung durchgesetzt.
Arten von einstweiligen Verfügungen
Es gibt verschiedene Arten von einstweiligen Verfügungen, die jeweils unterschiedliche Zwecke erfüllen:
- Sicherungsverfügung
Die Sicherungsverfügung gewährleistet die Sicherung eines Anspruchs. Hier wird sichergestellt, dass der Anspruch des Antragstellers nicht durch die Handlungen des Antragsgegners vereitelt wird, bevor das Hauptsacheverfahren beginnt.
- Regelungsverfügung
Mit der Regelungsverfügung wird eine vorläufige Regelung getroffen. Damit kann ein bestehender Zustand erhalten oder eine Veränderung, die das endgültige Urteil beeinflussen könnte, verhindert werden.
- Leistungsverfügung
Die Leistungsverfügung verpflichtet den Antragsgegner zu einer vorläufigen Handlung oder Unterlassung, um den Rechtsanspruch des Antragstellers vorläufig durchzusetzen.
Unterschied zu einer einstweiligen Anordnung
Die einstweilige Verfügung ist im Zivilrecht angesiedelt. Eine einstweilige Anordnung dagegen ist ein gerichtlicher Beschluss, der eine Entscheidung einer Behörde aussetzt.
Beide Instrumente dienen dem vorläufigen Rechtsschutz, unterscheiden sich jedoch in den Anwendungsbereichen und der gerichtlichen Ausgestaltung.
Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung
Eine einstweilige Verfügung wird nur erlassen, wenn es dringlich (= eilbedürftig) ist, einen Rechtsanspruch vorläufig durchzusetzen oder zu sichern. Diese Dringlichkeit muss dabei vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden.
Der Antragsteller muss dem Gericht folgende 3 Dinge vorlegen:
- Verfügungsantrag: der Antrag auf Erlass einer eV muss bei Gericht gestellt werden
- Verfügungsanspruch: Rechtlicher Anspruch, den der Antragsteller durchsetzen bzw. absichern will (z. B. ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung von Marken- oder Urheberrechten)
- Verfügungsgrund: Ist gegeben, wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass er ohne den Erlass der eV einen wesentlichen Nachteil erleiden würde.
Um die Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit einer eV nachzuweisen, sind jedoch keine konkreten Beweise nötig. Das Gericht stimmt der einstweiligen Verfügung zu, wenn es die Anschuldigungen für wahrscheinlich hält.
Um eine Rechtsverletzung nachzuweisen, reichen meist schon Hinweise, wie z. B. Zeugenaussagen oder Fotos, aus. Auch eine eidesstattliche Erklärung des Antragstellers genügt, um den Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund glaubhaft zu machen.
Hinweis: Es empfiehlt sich, den Verfügungsantrag so schnell wie möglich zu stellen. Lassen Sie sich damit sehr viel Zeit, könnte dem Gericht die notwendige Eilbedürftigkeit fehlen und lehnt daraufhin den Antrag auf Erlass einer eV ab.
Das einstweilige Verfügungsverfahren
- Schritt: Das einstweilige Verfügungsverfahren beginnt mit dem Antrag auf Erlass. Der Antragsteller muss die Dringlichkeit durch einen Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund (siehe oben) glaubhaft machen.
Zuständiges Gericht ist in der Regel das Gericht der Hauptsache, wobei die Zivilprozessordnung (ZPO) hier maßgebliche Regelungen enthält, insbesondere in den §§ 935 und 940 ZPO.
- Schritt: Der Antrag wird vom Gericht geprüft. Danach erlässt das Gericht die einstweilige Verfügung meistens innerhalb weniger Tage durch
- Beschluss ⇾ wenn KEINE mündliche Verhandlung stattfand
oder durch
- Urteil ⇾ wenn eine mündliche Verhandlung stattfand. In seltenen Fällen kann ein Gericht die einstweilige Verfügung auch ablehnen.
Tipp: Mit einer Schutzschrift gewährleisten Sie, dass eine eV nur nach mündlicher Anhörung erlassen wird.
- Beschluss ⇾ wenn KEINE mündliche Verhandlung stattfand
- Schritt: Eine einstweilige Verfügung muss durch korrekte Zustellung gegenüber dem Antragsgegner innerhalb bestimmter Fristen vollzogen werden.
- Schritt: Der Antragsgegner hat verschiedene Möglichkeiten, auf die Zustellung einer einstweiligen Verfügung zu reagieren.
Kosten
Höhe der Kosten
Die Kosten einer einstweiligen Verfügung richten sich nach dem Streitwert, der vom Gericht festgelegt wird. Daher ist die Höhe der Kosten von Fall zu Fall unterschiedlich.
Wer trägt die Kosten?
Der Antragsgegner trägt die Kosten, wenn das Gericht der einstweiligen Verfügung zustimmt. Lehnt das Gericht die einstweilige Verfügung jedoch ab, muss der Antragsteller die Kosten übernehmen.
Beispiele einer einstweiligen Verfügung aus der Praxis
Beispiel 1: Abschaltung von Wasser, Strom oder Heizung durch den Vermieter
Ein Vermieter verweigert dem Mieter wesentliche Versorgungsleistungen wie Wasser, Strom oder Heizung, um den Mieter unter Druck zu setzen und zur Räumung der Wohnung zu zwingen (z. B. in Fällen von Mietrückstand oder Konflikten). Solche Maßnahmen sind jedoch unrechtmäßig, da der Vermieter den Mieter nicht einfach “aus der Wohnung drängen” darf, sondern den Rechtsweg beschreiten muss.
Ziel der eV: Der Mieter kann in diesem Fall eine einstweilige Verfügung beantragen, um den Vermieter gerichtlich dazu zu verpflichten, die Versorgung der Wohnung mit Wasser, Strom oder Heizung wiederherzustellen. Dies stellt sicher, dass der Mieter während der laufenden Auseinandersetzung weiterhin in der Wohnung unter angemessenen Bedingungen leben kann.
Beispiel 2: Schutz vor Belästigung
Eine Person wird von einem ehemaligen Partner über längere Zeit belästigt. Dies kann durch wiederholte Kontaktversuche, Nachstellungen, unerwünschte Besuche oder sogar durch Überwachung (z. B. ständige Beobachtung des Wohnorts oder Arbeitsorts) geschehen. Diese Art von Verhalten beeinträchtigt das Leben der betroffenen Person erheblich, verletzt ihre Privatsphäre und kann psychische Belastungen verursachen.
Ziel der eV: Mit einer einstweiligen Verfügung kann die betroffene Person dem Stalker die Annäherung oder die Kontaktaufnahme rechtlich verbieten. Die Verfügung könnte auch festlegen, dass der Stalker bestimmte Orte, wie die Wohnung, den Arbeitsplatz oder andere häufig aufgesuchte Orte der betroffenen Person, nicht betreten darf. Wenn er gegen diese Verfügung verstößt, drohen ihm strafrechtliche Konsequenzen.
Beispiel 3: Sicherung des Erbes bei drohender Veruntreuung
Nach dem Tod eines Erblassers gibt es mehrere Erben, und nur einer von ihnen hat Zugang zu den Werten und Vermögensgegenständen des Nachlasses. Es besteht der Verdacht, dass dieser Erbe ohne Einwilligung der anderen Erben Vermögenswerte beiseiteschafft oder verkauft, um sich selbst zu bereichern. Die anderen Erben möchten das Erbe sichern, bevor endgültige erbrechtliche Regelungen getroffen werden.
Ziel der eV: Die Erben können eine einstweilige Verfügung beantragen, um zu verhindern, dass der verdächtige Erbe weiterhin Vermögenswerte aus dem Nachlass entzieht oder verändert. Die Verfügung könnte etwa festlegen, dass keine Transaktionen oder Verfügungen über den Nachlass vorgenommen werden dürfen, bis die Erbaufteilung geklärt ist.
Häufige Fragen zur Einstweiligen Verfügung
Ist vor der einstweiligen Verfügung eine Abmahnung erforderlich?
Vor dem Antrag auf einstweilige Verfügung ist eine Abmahnung nicht erforderlich, jedoch zu empfehlen. Diese gibt dem Antragsgegner die Möglichkeit, sein Verhalten ohne gerichtliches Verfahren zu ändern. Wird eine Abmahnung jedoch ignoriert oder ist die Dringlichkeit der Rechtsverletzung besonders hoch, kann direkt eine einstweilige Verfügung beantragt werden.
Was sind IP-Rechte?
IP steht für “Intellectual Property” und umfasst die gewerblichen Schutzrechte.
Markenrecht und Wettbewerbsrecht. In diesen Bereichen sind wir zu Hause.
Wie wir das alles tun? Prüfend, gestaltend, verhandelnd oder streitend. Als punktuelle Unterstützung oder im Rahmen einer langfristigen Zusammenarbeit. Ganz nach Ihren Bedürfnissen. Jedenfalls persönlich, schnell und unkompliziert.