Verwechslungsgefahr – wann kollidiert eine Marke mit älteren Rechten?
Die erste Hürde ist genommen: die Marke wurde vom Markenamt als schutzfähig angesehen und wurde in das Markenregister eingetragen. Was aber, wenn es bereits Marken oder Kennzeichen mit älteren Rechten gibt und zu diesen Verwechslungsgefahr besteht?
Einer grundsätzlich schutzfähigen Marke können sog. relative Schutzhindernisse entgegenstehen.
Um diese geht es im nachfolgenden Artikel. Darüber hinaus zeigen wir auf, welche Möglichkeiten MarkenanmelderInnen haben,
- eine Kollision ihrer Marke mit älteren Rechten und damit verbundene Ansprüche zu vermeiden
und wie MarkeninhaberInnen
- überhaupt Kenntnis von kollidierenden Marken erlangen können sowie
- wie sie ihre Bestandsmarken gegenüber frisch angemeldeten/ eingetragenen Marken, die mit den eigenen Rechten kollidieren, erfolgreich verteidigen können.
Relative Schutz- oder Eintragungshindernisse
Im Gegensatz zu den absoluten Schutzhindernissen, die öffentliche Interessen schützen, dienen die relativen Schutz- oder Eintragungshindernisse privaten Interessen.
Gemäß §§ 9 – 13 Markengesetz (MarkenG) bzw. Art. 8 Unionsmarkenverordnung (UMV) bezeichnet man als relative Schutzhindernisse vorrangige (Marken-)Rechte Dritter, die der Rechtsbeständigkeit einer neu eingetragenen Marke entgegenstehen.
Als relative Schutzhindernisse gelten
- identische (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG) oder
- verwechslungsfähige, ähnliche (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG)
angemeldete oder eingetragene Marken mit älterem Zeitrang oder notorisch bekannte Marken (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG) und deren korrespondierende Waren oder Dienstleistungen.
Diese relativen Schutz- oder Eintragungshindernisse räumen den InhaberInnen einer bestehenden Marke oder eines bestehenden Unternehmens das ausschließliche Recht ein, die eigene Marke im geschäftlichen Verkehr zu verwenden und so anderen MarkenanmelderInnen die markenmäßige Verwendung der frisch eingetragenen Marke zu untersagen.
Der Prioritätsgrundsatz
Der Prioritätsgrundsatz (auch Prioritätsprinzip) beschreibt Regeln, nach denen unter mehreren gleichartigen Vorgängen der zeitlich frühere Vorrang genießt. Im Markenrecht regelt § 6 MarkenG Vorrang und Zeitrang von Marken und sonstigen Kennzeichen. Dies bedeutet, dass im Falle einer Kollision von Markenrechten das ältere Vorrang vor dem jüngeren hat. So kann beispielsweise der oder die InhaberIn einer Marke, für die er/ sie als erster Schutz erlangt hat, andere MarktteilnehmerInnen daran hindern, identische oder ähnliche Zeichen zu verwenden.
Zur Bestimmung der Priorität ist für angemeldete oder eingetragene Marken der Tag der Anmeldung maßgeblich (§ 6 Abs. 2 MarkenG).
Wie im Artikel über die Markenanmeldung bereits ausgeführt, prüfen die Markenämter lediglich das Vorliegen absoluter Schutzhindernisse, also ob eine Marke grundsätzlich schutzfähig ist, nicht jedoch ob die angestrebte Marke mit älteren Rechten kollidiert. Dies obliegt den AnmelderInnen. So kann es dazu kommen, dass zwei identische oder verwechslungsfähige, ähnliche Marken im Markenregister eingetragen sind. In diesem Fall genießt nach dem Prioritätsgrundsatz die ältere Marke Vorrang vor der jüngeren.
Was versteht man im Markenrecht unter Verwechslungsgefahr?
Nach Ansicht des EuGH liegt die Hauptfunktion einer Marke darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Herkunft der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu bestätigen. Die Marke soll also sicherstellen, dass der Kunde weiß, woher das Produkt oder die Dienstleistung stammt (sog. Ursprungsidentität).
Dementsprechend liegt gem. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG Verwechslungsgefahr vor, wenn das Publikum sich in Bezug auf die Herkunft der betreffenden Waren oder Dienstleistungen täuschen könnte.
Gemäß ständiger Rechtsprechung des EuGH hängt das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr jedoch von einer Vielzahl von Faktoren ab:
- Zeichenähnlichkeit (klangliche Ähnlichkeit, visuelle Ähnlichkeit/ schriftbildliche Ähnlichkeit, Ähnlichkeit im Bedeutungsgehalt)
- Produktähnlichkeit (Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen mit sich überschneidenden Verkehrskreisen)
- Kennzeichnungskraft der Marke (Unterscheidungskraft, Bekanntheitsgrad)
Diese Faktoren oder Beurteilungsmaßstäbe der Verwechslungsgefahr sind nicht unabhängig voneinander zu berücksichtigen, sondern stehen in einer Wechselbeziehung zueinander (sog. Wechselwirkungslehre). Dies gilt insbesondere für die Zeichenähnlichkeit und Produktähnlichkeit: Ein geringerer Grad an Produktähnlichkeit kann durch einen höheren Grad der Zeichenähnlichkeit ausgeglichen werden und umgekehrt.
Wie vermeide ich eine Kollision meiner neuangemeldeten Marke mit älteren Rechten?
Um eine Kollision von Rechten zu vermeiden ist es unumgänglich, vor der Anmeldung einer Marke eine ausführliche Identitäts- und Ähnlichkeitsrecherche durchzuführen oder durchführen zu lassen. Hierbei sollte man sowohl die verschiedenen Markenregister gründlich screenen, als auch weitere Register, wie u.a. das Handelsregister, Domainregistrierungen usw. einbeziehen, um einen möglichst umfassenden Blick auf das Wettbewerbsumfeld zu erlangen.
Denn eine Kollision von Rechten ist nicht nur mit eingetragene Marken möglich, sondern kann auch nicht eingetragenen Marken, die notorische Bekanntheit oder Verkehrsgeltung (sog. Benutzungsmarken) erlangt haben oder geschäftliche Bezeichnungen/ Firmennamen, Werktitel usw. betreffen.
Die tatsächliche Beurteilung, ob womöglich Verwechslungsgefahr gegeben ist, also eine Kollision vorliegt, ist allerdings stets unter Berücksichtigung aller relevanten Umständen des konkreten Einzelfalls und anhand der o.g. Beurteilungsmaßstäbe umfassend vorzunehmen, wobei die Gesetze und die Rechtsprechung die Leitlinien vorgeben. Eine pauschale Beurteilung von Verwechselungsgefahr ist daher schlichtweg nicht möglich.
Wie erlange ich Kenntnis davon, dass meine Markenrechte verletzt werden?
Permanent werden neue Marken, Domains oder Firmennamen registriert und im geschäftlichen Verkehr verwendet. Um die Stärke und den Wert einer Marke zu erhalten bzw. auszubauen ist es essenziell, das Wettbewerbsumfeld auch nach der Markeneintragung regelmäßig und umfänglich zu sondieren. Ähnlich wie bei der o.g. Identitäts- und Ähnlichkeitsrecherche sollte in regelmäßigen Abständen ein Screening des Marktes durchgeführt werden, um möglichst frühzeitig etwaige Kollisionen oder Markenverletzungen feststellen und beseitigen zu können. Tut man dies nicht, droht die Verwässerung der Marke und zurück bleibt ein zahnloser Tiger, also ein schwacher, nahezu wertloser Markenschutz.
Ein professionell durchgeführtes, stetiges Markenmonitoring durch MarkenrechtsexpertInnen bietet zuverlässigen Schutz, rechtzeitig Kenntnis von möglichen Markenrechtsverletzungen und Kollisionen zu erlangen und entsprechend dagegen vorzugehen.
Wie kann ich meine Markenrechte verteidigen? Welche Möglichkeiten habe ich, gegen eine Verletzung meiner Markenrechte vorzugehen?
Erlangt man Kenntnis von der Eintragung einer Marke, z.B. im Rahmen einer Markenregisterrecherche, die identisch oder ähnlich mit der eigenen Marke mit älterem Zeitrang ist, besteht die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Markeneintragung vor dem DPMA innerhalb der dreimonatigen Widerspruchsfrist ab Markeneintragung zu erheben (§ 42 Abs. 1 S. 1 MarkenG). Analog gilt dies auch für Unionsmarken oder international registrierte Marken (IR-Marke). Im Widerspruchsverfahren wird entschieden, ob die neu eingetragene Marke möglicherweise ganz oder teilweise gelöscht wird.
Erlangt man erst nach endgültiger, widerspruchsfreier Eintragung einer identischen oder ähnlichen Marke Kenntnis von deren Eintragung, kann aufgrund bestehender älterer Rechte Löschungsklage vor den Zivilgerichten erhoben werden oder ein Nichtigkeitsantrag beim DPMA (§ 52 Abs. 1 S. 1) gestellt werden. Auch in diesen Fällen wird möglicherweise über die gänzliche oder teilweise Löschung der neu eingetragenen Marke entschieden.
Neben den vorbeschriebenen registerrechtlichen Verletzungen besteht darüber hinaus die Gefahr, dass die eigenen Markenrechte durch Verwendung eines identischen oder verwechslungsfähigen Zeichens im geschäftlichen Verkehr verletzt werden. Hieraus entstehen Ansprüche auf Beseitigung der Rechtsverletzung, Unterlassung der Rechtsverletzung in der Zukunft, Auskunft über die mit dem Zeichen erzielten Gewinne und Schadensersatz inkl. der Rechtsanwaltskosten. Diese Ansprüche werden durch die Aussprache einer kennzeichenrechtlichen Abmahnung geltend gemacht und können/ müssen im Bedarfsfalle im gerichtlichen Wege durch die Beantragung einer einstweiligen Verfügung oder die Erhebung einer Klage verfolgt werden.
Fazit
Die bloße Beurteilung der Marke als schutzfähig durch die jeweiligen Markenämter und damit die Eintragung der Marke ins Register reicht allein nicht aus, um verlässlichen Markenschutz zu erlangen und sorgenfrei die Marke im geschäftlichen Verkehr verwenden zu können. Zukünftigen MarkeninhaberInnen ist unbedingt angeraten, im Vorfeld der Markenanmeldung mögliche Kollisionen durch eine umfängliche Identitäts- und Ähnlichkeitsrecherche zu eruieren und gegebenenfalls weitere Schritte einzuleiten.
Da die relativen Schutzhindernisse („Verwechslungsgefahr mit bestehenden Zeichen“) in der Beurteilung weitaus komplexer sind als die absoluten Schutzhindernisse („Schutzfähigkeit einer Marke von Amts wegen“), sollten MarkeninhaberInnen nicht davor zurückschrecken, hierbei auf die Expertise und Erfahrung von MarkenrechtsexpertInnen zu setzen und bereits vor der Markenanmeldung die Chancen und Risiken auszuloten.
Quelle
(EuGH GRUR 2020, 52 Rn 43 – PRV/ Hansson)
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